1/3 Der Kinderkrimi | -> Rico & Oskar

Ich habe für meine Hausübung das Detektivduo Rico und Oskar aus der gleichnamigen Pentalogie von Andreas Steinhöfel (2008-2020) und das Tatort-Ermittler*innenteam Nina Rubin und Robert Karow (seit 2015) gewählt. Gemeinsam ist den beiden zum einen der Handlungsort Berlin. Nach der Aufteilung von Günther Lange handelt es sich um klassische Detektivgeschichten/-romane (im Unterschied zum Verbrechensroman und Thriller), in denen es um die Lösung eines Falles geht. Außerdem sind beides Serien, in denen nicht nur der jeweilige Fall behandelt wird, sondern auch darum herum Platz für weitere Geschichten und Charakterentwicklung ist. Innerhalb des Tatort-Universums, das insgesamt und auch handlungsort-orientiert mehr als Reihe denn als Serie konzipiert ist und dementsprechend wenig Fokus auf der Charakterentwicklung liegt, bemüht sich der Berliner Tatort um das Team Rubin und Karow zumindest ansatzweise um Serialität. Im Vergleich zu „Rico und Oskar“ ist sie aber weniger ausgeprägt, viel mehr Gewicht liegt auf dem jeweiligen Fall. Das stimmt mit der im Skriptum ausgeführten Charakterisierung von Kinderkrimis überein, die im Gegensatz stärker figurenorientiert ausgerichtet sind.

Eine Schwierigkeit ergibt sich im Kinder- und Jugendkrimi im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Realismus: Kinder sollen die eigentlich erwachsene Aufgabe, Verbrechen aufzuklären, übernehmen, gleichzeitig soll die Handlung auch realistisch sein. Oft wird dieser Konflikt gelöst, indem es um Delikte aus der kindlichen Wirklichkeit geht. Mord ist im Kinder- und Jugendkrimi sowieso ein Tabu. Trotzdem übersteigen die Anforderungen an die Lösung der Fälle oft die Voraussetzungen der kindlichen Ermittler*innen. Auch die Frage, wieso die Kinder überhaupt zu Ermittler*innen werden, ist interessant. Andreas Steinhöfel versteht es in seiner Pentalogie meisterhaft, einen ernstzunehmenden Fall realitätsnah von Kindern lösen zu lassen. Was die Handlungsrealität betrifft, würde ich sogar sagen, dass „Rico und Oskar“ hier mehr bieten kann als viele Tatorte es schaffen. Das tritt vor allem auch durch die Einbindung des Lebensumfeldes ein. Im Tatort ist davon nur wenig zu spüren. Es scheint, als wären die Ermittler*innen ununterbrochen wach und im Dienst, die Themen Ruhe, Essen, Beschäftigungen außerhalb der Arbeit etc. bekommen kaum Platz. Es ist daher auch schwierig diese Aspekte mit denen von Rico und Oskar zu vergleichen.

So wie bei den erwachsenen Ermittler*innenteams oft auch, ergänzen sich Rico und Oskar durch komplementäre Fähigkeiten. Bei Rubin und Karow ist sie die empathische Person, die stärker auf der Gefühlsebene Spuren verfolgt, während er logisch, schnell denkend und eher kühl zu seinen Ergebnissen kommt. Diese Unterschiedlichkeiten führen mitunter zu Konflikten, im Endeffekt aber immer zu Erfolgen. Nicht anders ist das bei den Kindern, wo der tiefbegabte Rico genauso wie der hochbegabte Oskar zur Lösung der Fälle beiträgt. 

Während es der Beruf von Rubin und Karow ist, (Mord-)fälle zu lösen, ermitteln Rico und Oskar als Kinder gezwungenermaßen privat, wobei es sich bei den zu lösenden Fällen nicht gerade um Delikte aus der kindlichen Wirklichkeit handelt (Entführung, Erpressung, Betrug). Wo sie an ihre Grenzen stoßen, holen sie sich Erwachsene zur Hilfe, die teilweise auch in die Ermittlungen eingebunden werden. In diesem Vorgehen unterscheiden sich die beiden von einigen anderen kindlichen Detektiv*innen, wie sie oft in Kinder- und Jugendkrimis zu finden sind, die sich mehr am Typus „Kinder gegen Erwachsene“ orientieren. Gleichzeitig trägt dieses Merkmal dazu bei, dass ein ernster Fall von Kindern realitätsnah und auf Augenhöhe seiner Leserschaft gelöst werden kann, wie es auch Julia Krokoszinski im Skriptum bemerkt: „Andreas Steinhöfel versteht es, Ricos und Oskars Abenteuer realitätsnah und auf Augenhöhe seiner Leserschaft zu erzählen und dabei die kindlichen Probleme seiner Protagonisten angemessen ernst zu nehmen. Gelöst werden diese stets in einer Mischung aus kindlicher Logik, Einfallsreichtum und Glück, nie aber durch übertriebene Kenntnisse oder Fähigkeiten, die über den realistischen Rahmen einer Hochbegabung bei Oskar hinausgingen.“

Die Mischung aus kindlicher Logik, Einfallsreichtum und Glück unterscheidet sich letztendlich kaum von den Ermittlungsmethoden der Erwachsenen, deren Erfolge maßgeblich von der Hilfe anderer und vor allem auch von technologischen Hilfsmitteln sowie einer Reihe an Zufälligkeiten abhängig sind.